Dienstag, 14. Oktober 2014

Dem Panther auf der Spur

"Le Midi" nennt der Franzose den tiefen Süden seiner Republik. Und tatsächlich, was so nach "mittendrin" klingt, kristallisiert sich auch schon kurz nach der Reiseplanung als solches heraus. Denn wir sind mittendrin: Willkommen im Groundhopper-Paradies Südfrankreich. Montpellier, Marseille - na klar, die kennt man aus der Champions League. Auch Toulouse ist nur zwei Stunden entfernt, genauso St. Etienne oder Lyon, allesamt Städte mit Clubs in Frankreichs höchster Spieklasse - der Ligue 1.

Doch wer im "Midi" bleiben will, sollte seinen Blick ruhig auch mal eine Etage tiefer richten. Schnell fallen einem Namen wie Olympique Nimes oder AC Arles-Avignon ins Auge. Beide gerade mal ein gutes halbes bis dreiviertel Stündchen entfernt von Montpellier. Die Qual der Wahl fällt schließlich auf den französischen Meister von 2012 und den Zweitligisten, der seine Heimat eigentlich allein im Städtchen Arles hat. Aber der Reihe nach.

Ligue 1, 23.09.14
HSC Montpellier - AS Monaco 0:1 (0:0)
Stade de la Mosson, Zuschauer: 11.570


Montpellier ist schon ein interessantes Städtchen. Modern vom einen Stadrand bis ins Zentrum, da wird's dann auch noch historisch ansehnlich mit teils pompösen alten Bauten. Und dann setzt man sich in die noch ziemlich neue Straßenbahn und fährt zum anderen Stadtrand. Banlieu. Neue Heimat. Fast wie im Ghetto fühlt man sich, wenn man zwischen all den herunter gekommenen Hochhäusern aussteigt. Einziger Lichtblick: die Flutlichtmasten des Stade de la Mosson.

Vorbei an der Fressmeile, die aus zwei, drei Pavillions mit qualmenden Grills besteht und auf der sich Fans die Grundlage für das später schwer verdauliche Spiel zulegen, gelangen wir schon bald in direkte Stadionähe. Cool: Es gibt eine dreistöckige, unüberdachte Tribüne und eben besagte, echte Flutlichtmasten. Uncool: Das WM-Stadion von 1998 hat in Farben der Stadtwerke angepinselte Stützpfeiler. Mehr noch: Die doch eher gewagte Kombination aus knalligem Orange und von Natur aus hässlichem Blau färbt auch die Trikots des gastegebenden Clubs HSC, der an diesem Abend gegen den AS Monaco antritt.



Ins Stadion ohne Wartezeit hat für uns hierzulande ja Seltenheitswert, in Montpellier - so zumindest ist der Eindruck bei unserem Besuch - gehört das zur Tagesordnung. Entsprechend gelangweilt sind die Mitarbeiter an den Sicherheitskontrollen und den rar gesäten Versorgungsständen. Auch im Stadion herrscht eine gute Stunde vor Spielbeginn noch gähnende Leere. Da kann auch das Panorama aus HSC-Fankurve und Hochhaussiedlung bei allerliebsten Spätsommerwetter nicht entschädigen. Erst als die Nummer 10 der Hausherren zum Aufwärmen das Spielfeld betritt, beginnt dieser Fußballabend so richtig. Da ist er also wieder: der Panther. Lucas Barrios ist kurz vor Saisonbeginn aus Moskau zu Montpellier gewechselt - und das Spiel wird zeigen: die Nummer 10 ist hier nicht allzu gern gesehen. Unbeweglich, technisch schwach und im Zusammenspiel fast komplett isoliert geistert "La Pantera" übers Feld. Das Spiel schließt sich seiner Leistung an, ist ganz schwach.

Nach 60 Minuten wird unser ehemaliger Torgarant - allerdings unter gellendem Pfeifkonzert - von seinem Leiden erlöst und darf raus. Das Spiel wird nicht besser, findet aber doch einen Sieger. Monaco trifft in der Nachspielzeit zum 1:0-Siegtreffer. Denkwürdig war es nicht, aber nun richtet sich unsere ganze Konzentration schon auf die Rückreise zu unserem Mietwagen am anderen Rande Montpelliers. Das Viertel rund ums Stadion verspricht nicht gerade den angenehmsten Weg dorthin - doch alles bleibt ruhig und normal.


Fazit: Die Spur des Panthers weiter zu verfolgen, scheint rein sportlich nicht allzu lohnenswert, die doch recht rustikale Umgebung des Stade de la Mosson ist aber sicher eine erkenntnisreiche Reise wert.
 

Ligue 2, 3.10.14

AC Arles-Avignon - LB Châteauroux 0:1 (0:1)
Parc des Sports, Zuschauer: 1.351


So ist's recht. Fußball an der Basis. Aber Moment mal - im Parc des Sports wird immerhin Zweitligafußball geboten. Und trotzdem ist hier alles so herrlich weit vom durchorganisierten Eventsport entfernt. Parken gegenüber der Tribüne, Schwarzmarkthändler ohne Berührungsangst zu den Stadionkassen - und dann dieser nette Herr, der mir 15 Euro Eintritt erspart und das Ticket einfach so in die Hand drückt. Also rein ins Vergnügen einer Gitterrohrkosntruktion mit durchgehenden Holzbänken. Platznummern? Fehlanzeige. Man nimmt Platz, wo es einem gerade passt - und wo keiner der Tribünen-Stützpfeiler im Weg steht.

Ein paar Meter weiter macht sich eine kleine Horde gelb-blau gekleideter Fans bereit, ihr Team zu unterstützen. Der AC Arles ist vor zwei Jahren in die Ligue 2 aufgestiegen. Weil das heimische Stadion zu klein ist, trägt der Club seine Heimspiele im 30 Minuten entfernten Avignon aus - und hat die Stadt gleich mal in den Vereinsnamen aufgenommen, um Identifikation in der Stadt zu schaffen.


Das gelingt mehr oder weniger gut, und so spielt der AC Arles-Avignon vor nicht einmal 1.500 Fans gegen den Gast aus Châteauroux. Die haben immerhin handgezählte sieben Unterstützer aus der etwa sechs Stunden entfernten Heimat mitgebracht. Aber die werden sich rund zwei Stunden später auf dem Zaun des Gästeblocks stehend jubelnd ihrem Team zuwenden. Der eine Treffer zum 0:1 schon nach sechs Minuten reicht den Gästen gegen eine ganz schön zahnlose Truppe aus Arles.


Und so haben weder die gelb-blaue Fanhorde auf meiner Seite noch die Ultra-Gruppierung, die sich unters Dach der Haupttribüne zurückgezogen hat, etwas zu lachen. Im Gegenteil: Die Heimfans sind zunehmend frustriert vom Spiel ihrer Mannschaft, die sich dem Tabellenende nähert.


Für den geneigten Groundhopper allerdings war's ein lohnenswerter Ausflug. Weil's so herrlich nahbar wirkte, und so herrlich unorganisiert.


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Schwarzgelbe Grüße von
: Marcel